Da Vinci Furz

 

 

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Leonardo da Vinci

 

Der Furz: Glaubt man dir, Brownie, dann war Leonardo da Vinci ein hoher Würdenträger des Geheimbunds Prieuré de Sion, außerdem war der Künstler homosexuell und hat "Hunderte von lukrativen Auftragswerken für den Vatikan gemalt".

Die Fakten: Leonardo da Vinci malte nicht Hunderte von Bildern für den Vatikan. Es sind zwar sehr viele Zeichnungen bekannt, aber nur 17 Gemälde, die eindeutig aus Leonardos Hand stammen. Die Prieuré de Sion gab es nicht.

Vielleicht hast du einfach mal reich werden wollen? Vielleicht wird dich in zehn Jahren kein Mensch mehr kennen?

Vielleicht, vielleicht, vielleicht...

Unbestritten ist jedoch, dass 2000 Filmexperten

die Verfilmung deines Buches mit Gelächter und ohne jeden Applaus bei der Weltpremiere in Cannes kommentiert haben.

 

Da Vincis splitternackte Wahrheit

Die Verfilmung von «Sakrileg» ist theologisch schwach und historisch inkorrekt. Aber immerhin gibt es nackte Opus-Dei-Männer zu sehen, die sich geißeln.

 

Von Ulrich Gutmair

Jesusmariaundjosef, so viel Lärm um nichts! Die Verfilmung von Dan Browns «The Da Vinci Code», auf Deutsch ausnahmsweise ganz intelligent mit «Sakrileg» übersetzt, kommt nach einer ungeheuer effizient orchestrierten PR-Kampagne in die Kinos und entpuppt sich als ungeheuer biederes Esoterikthrillerchen. Es ist zwar kaum verwunderlich, dass dem so ist – es hat ja niemand ernsthaft anderes erwartet. Angesichts des medialen Brimboriums seit einigen Monaten ist das für den Zuschauer aber dennoch umso ärgerlicher.

Das ist die Geschichte in Kürze: Louvre-Direktor Jacques Saunière wird eines Nachts von einem kapuzentragenden, sich dauernd selbst geißelnden Opus-Dei-Mann in den Hallen des Museums angeschossen und tödlich getroffen. Doch kurz vor seinem Tod gelingt es ihm noch, mit gehörigem Aufwand seine eigene Leiche ins Zentrum eines von Anagrammen umgebenen Bilderrätsels zu rücken, zu dessen Entzifferung der «Symbologe» Robert Langdon (Tom Hanks) nun scheinbar gerufen wird. Er empfiehlt sich als solcher, weil er dem Zuschauer vorher unter anderem die verblüffende Erkenntnis nahe gebracht hat, dass es sich bei der Swastika keineswegs um ein modernes, sondern um ein sehr, sehr altes Symbol handelt. Oho!

Kommissar Fache (Jean Reno), seinerseits Opus-Dei-Mitglied, ist längst davon überzeugt, dass Langdon selbst der Mörder ist, was diesem wiederum von Saunières Enkelin Sophie (Audrey Tautou) klargemacht wird, die ihm auch gleich zur Flucht verhilft. Hier beginnt eine Verfolgungsjagd, die dafür verantwortlich ist, dass dieser Film immerhin als halbwegs spannend bezeichnet werden kann. Seine Geschichte ist das nur insofern, als man doch ganz gerne herausfinden möchte, was aus den Nachfahren des Jesus von Nazareth eigentlich geworden ist.

 

Zion, was ist das denn?

Denn die Frage, die das von Opa Saunière aufgegebene Rätsel aufwirft, lautet natürlich: Warum ist er eigentlich umgebracht worden? Es stellt sich bald heraus, dass Saunière der Bruderschaft vom Berg Zion angehört hat. In der deutschen Übersetzung von Browns Buch ist aber stets nur von der «Prieuré de Sion» die Rede, und weil die deutschen Untertitler offensichtlich weder vom Berg, noch von der Tochter Zion je was gehört haben, liest man nun ständig von «Sion». (Es steht zu befürchten, dass die Synchronisation nicht viel besser ausfällt, aber auch das war ja noch nie anders.)

Die Bruderschaft, so lernen wir bald, hütet ein wahrhaft revolutionäres Geheimnis «von solcher Brisanz, dass die Enthüllung das Christentum seiner gesamten Grundlage beraubt hätte!», wie es im Buch so schön heißt. Was das wohl sein mag?

Es besteht darin, dass Jesus mit Maria Magdalena verheiratet war, die von ihm schwanger wird und nach seinem Tode nach Frankreich flieht, wo sie eine königliche Dynastie begründet, von der allerdings nur die Brüder vom Zionsberg wissen, dass es sich dabei um Nachkommen Jesu handelt. Der legendäre Heilige Gral bezeichnet wiederum nichts anderes als das symbolische Gefäß, das für das Prinzip des Weiblichen schlechthin, aber eben auch die Tatsache steht, dass Jesus Nachkommen gezeugt hat, die immer noch unter uns sind. Dass die süße Sophie am Ende wahrscheinlich die letzte Urenkelin Jesu sein wird, kann man sich bereits nach einer halben Stunde denken, auch ohne das Buch Browns je in der Hand gehabt zu haben.

 

Sankt Umberto hilf!

Warum ist das jetzt alles aber so unglaublich gefährlich für die herrschende Macht, die nun mordet, um die Brüder vom Zionsberge zum Schweigen zu bringen, und die den ultimativen Beweis ihrer Geheimlehre, die Gebeine der Maria Magdalena, verschwinden lassen will? Letztendlich ist diese Geschichte nichts als ein halbgarer Aufwasch von Umberto Ecos ebenfalls verfilmtem Roman «Der Name der Rose», der sich ungleich intelligenter und informierter des Themas des verbotenen und unterdrückten Wissens annahm, das dem kirchlichen Dogma einst tatsächlich gefährlich werden konnte.

Die innere Logik von «Da Vinci Code» geht überhaupt nur auf, wenn wir die westliche Welt als Theokratie begreifen, in der «Despoten» in Priestergewändern, so die Sprachregelung des Films, ihre Version des Christentums auf Teufel komm raus verteidigen, um ihre Macht zu sichern. Natürlich gab es eine solche Theokratie im Westen ohnehin im eigentlichen Sinne nie, weil die Kirche die weltliche Macht brauchte, um ihre Stellung zu sichern, und die weltliche Macht die Kirche als Ideologiefabrik benötigte, um ihr Tun und Lassen rechtfertigen zu können.

 

Es wird schon keiner merken

Dass außerdem der Unterschied zwischen der katholischen Kirche und sagen wir mal den iranischen Ajatollahs und afghanischen Taliban gerade darin besteht, dass jene dank Humanismus, Wissenschaft und Französischer Revolution der säkularisierten Gesellschaft seit geraumer Zeit rein gar nichts mehr zu sagen hat, interessiert Brown natürlich auch nicht. Es wird schon keiner merken, und die Kirche hat ohnehin einen derart schlechten Ruf, dass es auch keiner merken will.

Sähe man sich aber mal die Geschichte der Kreuzzüge, vor allem der späteren, einmal näher an, würde man feststellen, dass es häufig Bischöfe waren, die die in christlichen Städten ansässigen Juden vor den militanten Kreuzzüglern zu schützen versuchten. Denn schon der von millenaristischen Visionen aufgepeitschte Mob betrachtete wie die Verschwörungstheoriker von heute die Kirche gern als Bastion des Antichristen und verklärte stattdessen irgendwelche Wanderprediger zu Kündern des nahenden Reichs Gottes auf Erden. Dieses Nahen trachtete man dann zu beschleunigen, indem man schon vor der Abreise ins Heilige Land ein paar ungläubige Gottesmörder in Worms und Trier abschlachtete, bevor man den Muselmännern in der Fremde den Garaus machen würde.

 

Keinen Schimmer von Nicäa

Kein Wunder also, dass der Film noch nicht einmal den leisesten Versuch unternimmt, auch nur im Ansatz zu erklären, wer diese «Despoten» eigentlich sind, worüber sie despotisch herrschen und worin also überhaupt ihr Interesse liegt, die Wahrheit nicht ans Licht kommen zu lassen, abgesehen von ihrer Herrschaft über ein paar tausend ultraorthodoxe Anhänger des Opus Dei? (Die Idee, dass diese ebenso ultrakeuschen Leute, das nur nebenbei bemerkt, sich nachts splitternackt vor Kruzifixen geißeln könnten, wie im Film gezeigt, ist natürlich nur ein feuchter Traum von Säkularen und prüden Protestanten.)

In Browns Buch wird das folgendermaßen «erklärt». Bis zum Konzil von Nicäa hätten die Anhänger Jesu diesen als «sterblichen Propheten» betrachtet, als «großen und mächtigen», aber eben doch als sterblichen Menschen. Die Abstimmung auf dem Konzil sei laut Brown nur äußerst knapp zugunsten der Auffassung ausgefallen, dass Jesus der Sohn Gottes sei. Das ist in mehrfacher Hinsicht ungenau oder gar falsch, weil es im arianischen Streit, der wichtigster Anlass des Konzils war, präzise erstens um die Wesenseinheit und Wesengleichheit von Gott und Jesus ging. Zweitens stimmten lediglich zwei Bischöfe am Ende gegen das in Nicäa fixierte Glaubensbekenntnis. Aber so genau wollen wir das nicht nehmen, was sind theologische und historische Korrektheit in Anbetracht von Bestsellern und Blockbustern.

 

Die weltlichen Machenschaften mal wieder

Diese windige Erklärung ist nun also die eigentliche Ursache, mit der Brown das hektische Treiben der «Despoten» plausibel machen will, die eine verlorene Seele zum Mörder an den Seneschallen der Bruderschaft vom Berg Zion machen: «Im Grunde ging es nur um die Macht», heißt es dazu im Buch. «Christus weiterhin als Messias gelten zu lassen, war für Kirche und Staat zu bedenklich. Viele Kenner dieser Materie sind der Ansicht, dass die angehende römisch-katholische Staatskirche den Urchristen Jesus gleichsam geraubt hat, indem sie über seine diesseitige Botschaft der Nächstenliebe und Menschlichkeit den undurchdringlichen Mantel einer jenseitigen Göttlichkeit breitete, um auf diese Weise ungestört ihren weltlichen Machenschaften nachgehen zu können.»

Da mag generell ja ein Funken Wahrheit dran sein. Wenn aber irgendjemand für sich in Anspruch nehmen kann, als erster den Urchristen Jesus geraubt zu haben, dann heißt der Mann wohl Paulus. Er brauchte im Übrigen auch kein Konzil, sondern nur ein paar rhetorisch brillant formulierte Briefe, um aus Rabbi Jesus endgültig den Auferstandenen zu machen und damit das Christentum überhaupt erst als solches in Gang zu setzen.

 

Pepsi oder Coke

Sei's drum, die Frage nach der Macht und den Dogmen der Kirche lässt die Brown-Verfilmung am Ende sowieso nonchalant unter den Tisch fallen: Denn interessanterweise ist der eigentliche Anstifter der Morde am Ende nicht etwa einer der ominösen Despoten, sondern ein Freigeist, der die Welt endlich von der Irrlehre der Kirche befreien will und die Orthodoxen nur benutzt, um der Bruderschaft mit Gewalt ihr Geheimnis zu entreißen.

Das ist natürlich eine ganz interessante Wendung, weil sie letzten Endes nichts anderes behauptet, als dass die Revolution ohne Terreur nicht auskommt und die Jakobiner aller Zeiten ergo nicht weniger schlimm als Theokraten und Faschisten seien. Oh schöne neue Welt des Hippieliberalismus! «Es kommt nur darauf an, was du selbst glaubst», spricht Langdon nun zu seiner Sophie bedeutungsschwanger, als wäre das irgendetwas radikal anderes als die Wahl zwischen Pepsi und Coke.

 

Die Wahrheit steht hier

Das große Geheimnis, die Wahrheit, die Produktionen wie «The Da Vinci Code» in Wirklichkeit mit aller Macht selbst verschleiern wollen, ist natürlich eine ganz andere. Sie besteht darin, dass wir Hollywood und seine Moralapostel, Welterklärer und Ideologen eigentlich längst nicht mehr brauchen, die meisten haben es nur noch nicht gemerkt.

Wir haben jetzt nämlich Camcorder und das Internet, das gerade im letzten halben Jahr eine ungeheure Explosion erlebt hat, da stellen wir unsere eigenen Filme rein. Damit aber keinem auffällt, dass dieser ganze uralte Apparat eigentlich schon längst überflüssig geworden ist, muss nun so getan werden, als sei ein B-Movie wie «The Da Vinci Code» eine tatsächlich wertvolle Ware, die unter allen Umständen davor geschützt werden muss, im Kino mit dem Handy abgeknipst zu werden.

Um das zu demonstrieren und den Schwindel aufrecht zu erhalten, behandelt man die selben Journalisten, die man vorher für seine Non-Stop-Kampagne eingespannt hatte, die aus dem Film überhaupt erst das unglaublich wichtige Ereignis werden ließ, bei der Pressevorführung wie Verbrecher und schäbiges Gesindel. Sie sollen Ehrfurcht verspüren vor dem großen Ding. Man lässt sie also wie Zirkustiere durch Metalldetektoren laufen und dreist von Security-Personal betatschen. Das wahre Opus Dei, das ist sicher und gewiss, heißt Buena Vista International.



 

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18. Mai 08:59

 

 

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